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Öffentliches Baurecht | 1C_471/2015

Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern geht Art. 15 Abs. 5 BZR/Luzern als lex specialis vor

Redaktion von Bau- und Zonenreglementen für Gemeinden und Beratung von Kantonen bei Änderungen der Planungs- und Baugesetze – Anwälte Hofstetter.

Das Bundesgericht verneint eine Verletzung der Gemeindeautonomie der Stadt Luzern durch den Entscheid des Kantonsgerichts Luzern, in welchem es Art. 17 Abs. 2 als lex specialis zu Art. 15 Abs. 5 des Bau- und Zonenreglements der Stadt Luzern vom 7. Januar 2013 (BZR/Luzern) anwendet und eine Bewilligung für den Abbruch eines Mehrfamilienhauses aufhebt.

Die Hotel L. AG reichte ein Bewilligungsgesuch ein über den Abbruch eines Mehrfamilienhauses und den anschliessenden Bau eines neuen Mehrfamilienhauses mit Einstellhalle. Die vom Bauprojekt betroffenen Grundstücke liegen in der Wohnzone, welche von der Ortsbildschutzzone überlagert wird. Der Stadtrat Luzern erteilte die Bewilligung für das Bauvorhaben sowie verschiedene Ausnahmebewilligungen. Gegen diesen Entscheid erhoben diverse Personen (überwiegend Nachbarn) Beschwerde beim Kantonsgericht Luzern. Dieses hiess die Beschwerde gut und hob die erteilte Baubewilligung auf. Die Stadt Luzern gelangt an das Bundesgericht. Das Bundesgericht weist die Beschwerde ab.

Die Beschwerdeführerin rügt eine Verletzung ihrer Gemeindeautonomie durch den Entscheid der Vorinstanz, wonach die Voraussetzungen für den Abbruch von Bauten in der Ortsbildschutzzone B in Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern abschliessend geregelt sind und die erteilte Baubewilligung deshalb aufgehoben wurde. Das Bundesgericht prüft das Verhältnis von Art. 15 Abs. 5 zu Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern durch Auslegung der beiden Bestimmungen.

Art. 15 Abs. 5 BZR/Luzern regelt die Ausnahmen von den Schutzzonenvorschriften. Nach dieser Bestimmung kann eine Ausnahme vom Stadtrat gestattet werden, "sofern besondere Verhältnisse dies rechtfertigen, die Ausnahme dem Sinn und Zweck der Schutzzonen nicht widerspricht und ein qualitätsvolles Bauprojekt vorliegt".

Art. 17 Abs. 1 umschreibt die Funktion der Ortsbildschutzzone B: "Die Schutzzone B bezweckt die Erhaltung schützenswerter Stadtteile, Bauten und Gärten. Als wichtige Bestandteile des Stadtbildes und der Stadtentwicklung sind sie in ihrem Gesamtbild und in ihrer Primärstruktur zu erhalten." Abbrüche können nach Abs. 2 vom Stadtrat ausnahmsweise bewilligt werden, wenn eine Sanierung aus statischen Gründen nicht möglich ist oder aus wirtschaftlichen Gründen unverhältnismässig erscheinen würde.

Das Bundesgericht hält fest, dass der Wortlaut der beiden Bestimmungen vorliegend bei der Auslegung nicht weiterhilft. Das Verhältnis der beiden Normen muss folglich mithilfe systematischer und teleologischer Auslegung ermittelt werden.

Betreffend Systematik führt das Bundesgericht aus, dass Art. 15, 16 und 17 BZR/Luzern jeweils eine eigene Bestimmung über die Erteilung von Ausnahmen enthalten. Dies ist gemäss Bundesgericht dahingehend zu verstehen, dass Art. 16 und 17 BZR/Luzern Ausnahmeregelungen zum grundsätzlichen Abbruchverbot enthalten. Art. 15 BZR/Luzern regelt indessen die Voraussetzungen für das Abweichen von anderen Spezialvorschriften der Art. 16 und 17 BZR/Luzern. Laut Bundesgericht bleibt für die Anwendung von Art. 15 Abs. 5 BZR/Luzern folglich nur dort Platz, wo Art. 16 Abs. 5 und 17 Abs. 2 BZR/Luzern keine eigenen, spezielleren Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung vorsehen. Würden die Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 5 BZR/Luzern bereits für eine Ausnahme vom Abbruchverbot genügen, so hätte Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern gemäss Bundesgericht keinen eigenständigen Anwendungsbereich mehr. Die Einwendung der Beschwerdeführerin, dass die vorinstanzliche Auslegung von Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern dazu führen würde, dass der Abbruch einer Baute in der Ortsbildschutzzone B strengeren Voraussetzungen unterliegen würde als ein Abbruch in der Ortsbildschutzzone A, wird vom Bundesgericht abgewiesen. Im Gegensatz zu Art. 17 Abs. 2 sieht Art. 16 Abs. 5 BZR/Luzern keine Möglichkeit eines Abbruchs vor für Fälle, in denen die Sanierung wirtschaftlich unverhältnismässig wäre.

Auch die teleologische Auslegung der Bestimmungen führt gemäss Bundesgericht zu keinem anderen Ergebnis als dem der Vorinstanz. Dass die in der Ortsbildschutzzone liegenden Bauten und Anlagen als wichtige Bestandteile des Stadtbildes und der Stadtentwicklung in ihrem Gesamtbild und in ihrer Primärstruktur erhalten bleiben entspricht dem in Art. 15 bzw. 17 BZR/Luzern festgelegten Zweck dieser Zone. Das Bundesgericht hält fest, dass es dem kommunalen Reglementsgeber offensichtlich darum ging, grundsätzlich alle bestehenden Bauten als Teil des Gesamtbildes zu erhalten und nicht nur einzelne, architektonisch besonders wertvolle Einzelbauten zu schützen. Dieses Ziel kann gemäss Bundesgericht nicht erreicht werden, wenn ein Abbruch bereits unter den Voraussetzungen nach Art. 15 Abs. 5 BZR/Luzern möglich ist. Insbesondere dann, wenn diese Bestimmung als allgemeine Ausnahmebestimmung analog zu § 37 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes verstanden wird, wie dies der Stadtrat in seiner Beschwerde ausführt.

Das Bundesgericht hält fest, dass auch die teleologische Auslegung der umstrittenen Bestimmungen ergibt, dass die Vorinstanz zu Recht Art. 17 Abs. 2 BZR/Luzern auf die Abbruchsbewilligung angewandt und diese aufgehoben hat. Eine andere Interpretation durch die Stadt Luzern ist nicht vertretbar, weshalb auch keine Verletzung der Gemeindeautonomie vorliegt.