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Raumplanungsrecht | 1C_449/2014 (franz., 141 II 393)

Einzonungsmoratorium nach Art. 38a Abs. 2 RPG rückwirkend anwendbar

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Das Bundesgericht bejaht die sofortige Anwendbarkeit von Art. 38a Abs. 2 RPG in einem hängigen kantonalen Rechtsmittelverfahren aufgrund eines gewichtigen öffentlichen Interesses. Eine sofortige Anwendung des neuen Rechts im Beschwerdeverfahren drängt sich gemäss Bundesgericht auf, wenn die neue Rechtsregel einem wichtigen öffentlichen Interesse entspricht, dessen Umsetzung unverzüglich zu erfolgen hat und wenn die Beschwerdeinstanz die Rechtmässigkeit mit voller Kognition überprüfen kann. Art. 38a Abs. 2 RPG entspricht einem solchen wichtigen öffentlichen Interesse: Verhinderung der Vergrösserung von Bauzonen, solange eine mit dem neuen Recht übereinstimmende Richtplanung noch nicht erfolgt ist.

Die Gemeinde Attalens (FR) hat im Rahmen einer Gesamtrevision ihres Zonenplans eine Fläche von 14'292 m2 der Bauzone zugewiesen. Die dagegen erhobenen Einsprachen wurden vom Gemeinderat im Jahr 2011 abgewiesen. Auch die kantonale Raumplanungs-, Umwelt- und Baudirektion sowie das kantonale Verwaltungsgericht wiesen die daraufhin erhobenen Beschwerden im Oktober 2013 bzw. August 2014 ab.

Nach Art. 38a Abs. 1 RPG sind die Kantone verpflichtet innert fünf Jahren nach Inkrafttreten der Änderungen dieses Gesetzes vom 15. Juni 2012 ihre Richtpläne an die neuen Anforderungen anzupassen. Nach Abs. 2 der Bestimmung darf bis zur Genehmigung der Richtplananpassung die Fläche der rechtskräftig ausgeschiedenen Bauzonen insgesamt nicht vergrössert werden.

Das Bundesgericht bestätigt seine Rechtsprechung, wonach Art. 38a Abs. 2 RPG ausserhalb der in Art. 52a Abs. 1 RPV ausgenommenen Fälle anwendbar ist auf im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Gesetzesänderung (2. April 2014) pendente Beschwerden (1C_612/2014 vom 06.08.2015 E. 2.6 und 1C_134/2014 vom 15.07.2015 E. 6.4). Nicht anwendbar ist dagegen Art. 38a Abs. 2 RPG gemäss Art. 52a Abs. 1 RPV auf eine im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderung hängige Beschwerde gegen die Genehmigung einer Einzonung, "wenn die Beschwerde weder zu einer Überprüfung noch zu einer materiellen Teilkorrektur des Genehmigungsentscheids führt oder wenn sie mutwillig erhoben worden ist." Diese Formulierung bringt laut Bundesgericht jedoch wenig Klarheit.

Ob eine neue Bestimmung von der Rechtsmittelinstanz unmittelbar angewendet werden muss, beurteilt das Bundesgericht durch analoge Anwendung der Bestimmungen des Schlusstitels des ZGB. Demnach ist das neue Recht sofort anwendbar, wenn die neue Rechtsregel einem wichtigen öffentlichen Interesse entspricht, dessen Umsetzung unverzüglich zu erfolgen hat, und die Beschwerdeinstanz die Rechtmässigkeit mit voller Kognition überprüfen kann.

Laut Bundesgericht ist es vorhersehbar, dass die kantonalen und kommunalen Behörden aufgrund der neuen Gesetzeslage in naher Zukunft verschiedene Auszonungen vornehmen müssten. Diese Auszonungen sind nach Auffassung des Bundesgerichts kostspieliger und schwieriger vorzunehmen als Nicht-Einzonungen. Das Bundesgericht bejaht deshalb das Vorliegen eines gewichtigen öffentlichen Interesses, welches die sofortige Anwendbarkeit von Art. 38a Abs. 2 RPG, auch für hängige Verfahren vor der letzten kantonalen Beschwerdeinstanz, rechtfertigt. Das Bundesgericht hebt den Einzonungsentscheid auf.