Bauen nur mit Baubewilligung
Art. 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG; SR 700) hält fest, dass Bauten und Anlagen nur mit behördlicher Bewilligung errichtet oder geändert werden dürfen. Dabei wird die Bewilligungsbedürftigkeit einer Baute von der Rechtsprechung und der Praxis früh bejaht. So bedürfen sämtliche baulichen Massnahmen, die bestimmt oder geeignet sind, die Vorstellung über die Nutzungsordnung zu beeinflussen, sei es, dass sie den Raum äusserlich erheblich verändern, die Erschliessung belasten oder die Umwelt beeinträchtigen, einer Baubewilligung (BGE 119 lb 442). Im Baubewilligungsverfahren können Nachbarn und die Öffentlichkeit ihre Interessen wahren. Es dient der präventiven Kontrolle, ob der projektierte Bau die materiellen Voraussetzungen des RPG sowie der kantonalen Planungs- und Baugesetzen einhält.
Nachträgliches Baubewilligungsverfahren
Wird eine Baute oder Anlage ohne oder in Abweichung einer Baubewilligung erstellt und gelangt dieser Umstand der Baupolizei zur Kenntnis, hat diese ein nachträgliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen (bzw. einen Baustopp zu verfügen). Falls in diesem der Bautätigkeit nachgelagerten Verfahren festgestellt wird, dass die bereits erfolgten baulichen Massnahmen dem geltenden materiellen Planungs-, Bau- und Umweltrecht widersprechen, stellt sich die Frage, ob der rechtmässige Zustand wiederhergestellt und die illegal errichtete Baute abgerissen werden muss.
Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands
Bereits im Jahre 1981 hat das Bundesgericht entschieden, dass der Anspruch der Behörden auf Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands illegal errichteter Bauten innerhalb der Bauzone nach 30 Jahren verwirkt. Ob der Wiederherstellungsanspruch auch ausserhalb der Bauzone nach einer gewissen Zeit untergehen kann, war lange umstritten und bis anhin nicht vom Bundesgericht behandelt oder ohne Begründung bejaht worden. In einem wegweisenden Urteil vom 28. April 2021 (BGer 1C_469/2019 und 1C_483/2019) hat sich das Bundesgericht nun mit der Frage beschäftigt, inwieweit bei illegalen Bauten ausserhalb der Bauzone der rechtmässige Zustand wiederhergestellt werden muss und ob eine Verwirkungsfrist auch für Bauten ausserhalb der Bauzone gilt.
Der dem Bundesgerichtsurteil zugrunde liegende Fall
Dem vorgenannten Urteil liegen illegale Bauten im Sellenboden in Neuenkirch zugrunde. Eine Baufirma hat auf dem sich in der Landwirtschaftszone befindlichen Grundstück Nr. 1928, GB Neuenkirch ohne Baubewilligung auf einem wohl bereits vor 1972 bestehenden Lagerplatz einen Werkhof mit Magazin und Waschplatz erstellt, den Lagerplatz überdacht sowie Material- und Personalcontainer aufgestellt. Bereits in einer Reihe vorgehender Urteile und Entscheide wurde festgehalten, dass diesen baulichen Massnahmen keine Bewilligung erteilt werden kann und über die Wiederherstellung des gesetzesmässigen Zustands zu befinden ist. Der Gemeinderat Neuenkirch ordnete daraufhin den Rückbau eines Teils der Bauten und Anlagen an. Auf den Rückbau des Hauptgebäudes (Magazin) und dessen Anbauten sowie auf die Anordnung eines Nutzungsverbots für den Lagerplatz verzichtete er indessen, da sich die Eigentümerin diesbezüglich laut der Behörde auf die 30-jährige Verwirkungsfrist berufen könne. Das Kantonsgericht Luzern wies eine dagegen erhobene Beschwerde ab, woraufhin das Bundesgericht angerufen wurde und darüber zu entscheiden hatte, ob auch ausserhalb der Bauzone eine Verwirkungsfrist für den Rückbau illegal erstellter Bauten gilt.
Widerherstellungspflicht verwirkt ausserhalb der Bauzone nicht
Das Bundesgericht rief zunächst die von ihm geltend gemachten Hauptargumente für die 30-jährige Verwirkungsfrist innerhalb der Bauzone in Erinnerung: die Rechtssicherheit und die praktischen Schwierigkeiten, nach mehr als 30 Jahren die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in Zeitpunkt der Vornahme der Bauten abzuklären. Daraufhin hielt das Bundesgericht fest, dass diese Probleme sich nicht bzw. nicht in gleicher Weise stellen, wenn es um Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzone geht. Denn im Gegensatz zu Bauten und Anlagen innerhalb der Bauzone, welche nach kantonalem und kommunalem Recht bewilligt werden, ist für solche ausserhalb der Bauzone seit 1972 im Wesentlichen Bundesrecht, welches leichter ermittelt werden kann und dem geringerer Beurteilungsspielraum innewohnt, anwendbar. Auch die Abklärung der tatsächlichen Verhältnisse 30 Jahre vor dem ersten Einschreiten der Baubehörde ist laut Bundesgericht ausserhalb der Bauzone mit grösserem Aufwand und Beweisproblemen verbunden.
Schliesslich dient die Beseitigung rechtswidriger Bauten ausserhalb der Bauzone nach Ansicht des Bundesgerichts der Durchsetzung des fundamentalen Prinzips der Trennung des Baugebiets vom Nichtbaugebiet, woraus vereinfacht gesagt ein Bauverbot für nicht landwirtschaftliche und nicht standortgebundene Bauten ausserhalb der Bauzone ergeht. Die Interessenlage unterscheidet sich daher wesentlich von derjenigen innerhalb von Bauzonen, wo das Bauen grundsätzlich zulässig ist.
Das Bundesgericht kommt gestützt auf diese wesentlichen Erwägungen zum Schluss, dass ausserhalb der Bauzone der Wiederherstellungsanspruch nicht nach 30 Jahren verwirkt.
Beim Rückbau bleibt ein gewisser Beurteilungsspielraum erhalten
Mit dem vorliegenden Entscheid unterstreicht das Bundesgericht seine strenge Haltung in Bezug auf Bauen ausserhalb der Bauzone erneut. Trotz der strengen Rechtsprechung muss ein Rückbau nicht in jedem Fall (vollständig) erfolgen. Handlungsspielraum besteht insbesondere in Bezug auf die Dauer der Wiederherstellungsfrist. Zudem muss auch in jedem Einzelfall geprüft werden, ob Gründe des Vertrauensschutzes, der Verhältnismässigkeit oder der Rechtmässigkeit gegen eine Wiederherstellung des rechtmässigen Zustands sprechen. Bei der Beurteilung, ob eine Baute bewilligungsfähig ist und ob ein Rückbau rechtmässig angeordnet werden kann, stehen Ihnen die Spezialisten der Hofstetter Advokatur & Notariat AG gerne zur Verfügung.