Komplett neue Baudichte muss bald kantonsweit von Luzerner Bauherren beachtet werden
Seit dem 1. Januar 2014 ist im Kanton Luzern ein totalrevidiertes, neues Planungs- und Baugesetz (PBG) in Kraft. Ausgelöst wurde die Revision durch den Beitritt des Kantons Luzern zur Interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der Baubegriffe (IVHB). Die interkantonale Harmonisierung der Baubegriffe soll, obwohl das öffentliche Baurecht eine kantonale Aufgabe ist, überregional zu einer verlässlichen, einfachen und transparenten Bauordnung führen, wodurch letztlich eine schweizweite Tätigkeit von Bauunternehmern und Investoren erleichtert werden soll.
Insbesondere im Bereich der zulässigen Nutzung des Grundstücks und der Baudichte wird mit dem neuen PBG ein eigentlicher Systemwechsel vollzogen. So gilt neu nicht mehr die altbewährte Ausnützungsziffer, sondern eine für die meisten Gemeinden neue Überbauungsziffer, welche nicht mehr das Volumen, sondern das Verhältnis der anrechenbaren Gebäudefläche zur anrechenbaren Grundstücksfläche, kombiniert mit einer maximal zulässigen Höhe für die maximal mögliche bauliche Nutzung des Grundstücks als anwendbar erklärt. Da den Luzerner Gemeinden gemäss § 244 PBG noch bis Ende 2023 Zeit für die Anpassung ihrer Bau- und Zonenregelemente an die neuen Bauvorschriften bleibt und diese erst von wenigen Gemeinden bereits umgesetzt wurden, steht die eigentliche Änderung der Bebauungsweise im Kanton Luzern erst bevor. Deshalb sollen nachfolgend einige mit der neuen Überbauungsziffer eintretenden Änderungen beleuchtet werden.
Das System der neuen Überbauungsziffer
Die neu von der Gemeinde im Bau- und Zonenreglement zonenweise festzulegende Überbauungsziffer ist einfach anwendbar und bestimmbar. Sie definiert die Grösse des Gebäudevolumens und entspricht gemäss § 25 PBG dem Verhältnis der anrechenbaren Gebäudefläche zur anrechenbaren Grundstücksfläche (siehe auch § 12 PBV). Konkret bedeutet dies, dass bei einem Grundstück mit einer Fläche von 1'000 m2 und geltender Überbauungsziffer von 0.50 höchstens 500 m2 der Grundstücksfläche durch das Gebäude beansprucht werden dürfen. Mit der Überbauungsziffer wird dementsprechend jene Fläche eines Gebäudes, welche quasi von oben senkrecht auf den Boden projiziert wird, gesteuert. Dies wird auch als «Fussabdruck» bezeichnet. Vorgegeben wird also, wie gross dieser Fussabdruck auf dem Grundstück maximal sein darf.
Zugleich wird für jede Zone eine maximale Gesamthöhe des Gebäudes festgelegt. Innerhalb dieser Gesamthöhe wird die Anzahl der maximal zulässigen Geschosse nicht mehr bestimmt. Zugleich ist egal, ob alle Geschosse den maximalen Fussabdruck voll ausschöpfen. Weiter ist zu beachten, dass Balkone auch in die Überbauungsziffer eingerechnet werden müssen, ausser sie ragen weniger als 1.5 m über die Fassade hinaus und nehmen nicht mehr als einen Drittel der Fassadenlänge in Anspruch. Grössere vorgelagerte Balkone resultieren neu also in einem Verlust an Wohnfläche. Dies wird dazu führen, dass vermehrt Loggien innerhalb des Fussabdrucks realisiert werden. Des Weiteren können die Gemeinden Ausnahmen der einzuhaltenden Überbauungsziffer für Bauten mit einer geringeren als der zulässigen Gesamthöhe vorsehen und abhängig von der Gesamthöhe des Gebäudes eine unterschiedliche Überbauungsziffer als anwendbar erklären. So kann eine Gemeinde in einer Wohnzone mit einer zulässigen Gesamthöhe von 11 Metern eine höhere Überbauungsziffer zulassen, wenn einzig eine Baute mit einer Gesamthöhe von 8 Metern realisiert wird.
Demgegenüber wurde bis anhin bei der Ausnützungsziffer gezählt, wie gross die Gesamtfläche eines Gebäudes ist, wodurch dieses höchstens eine bestimmte Wohnfläche aufweisen durfte. Diese konnte aber beliebig über alle Geschosse verteilt werden. Zudem wurden Flächen unter dem Boden oder Balkone nicht dazu gezählt.
Veränderungen in der Bauweise
Im Vergleich zu der früher verwendeten Ausnützungsziffer begünstigt die Überbauungsziffer tendenziell hohe und kompakte Bauformen und fördert ein schemenhaftes Bauen. Die Einführung der Überbauungsziffer soll eine Verdichtung der Bauweise fördern. Während bei der Ausnützungsziffer grosser Spielraum bei der Anordnung der Nutzfläche bestand, wird es Spielereien wie bisher nach Einführung der Überbauungsziffer nicht mehr geben. Der massgebliche Fussabdruck lässt eine Gliederung in der Fläche nicht zu, ohne dass an der Ausnützung Abstriche gemacht werden müssen. Nur wenn alle Stockwerke gleich gross sind, lässt sich das Volumen voll ausnützen. Es ist wahrscheinlich, dass die neuen Regelungen dazu führen werden, dass vermehrt «Würfelhäuser» gebaut werden und insbesondere auch Einfamilienhäuser inskünftig als Kuben in Erscheinung treten. Zudem werden grosse Balkone, die über die Fassade hinausragen wie erwähnt weniger attraktiv, genauso wie Einschnitte oder verschachtelte Bauten. Den Gemeinden steht nun die Aufgabe zu, durch Zusatzmöglichkeiten wie beispielsweise dem Erlass von Vorschriften zur Fassadenhöhe, zur Geschossigkeit sowie zur Dachgestaltung der Gefahr der uniformen Siedlungsstruktur wirksam zu begegnen. Zudem ist in Erinnerung zu rufen, dass die architektonische Freiheit durch Einführung der Überbauungsziffer nicht aufgehoben wird.
Probleme bei erfolgter Ausnützungsübertragung gemäss PBV
Die Einführung der Überbauungsziffer stellt insbesondere auch jene Grundeigentümer vor offene Fragen, welche im Rahmen von Ausnützungsübertragungen die nicht beanspruchte Ausnützung eines Grundstücks auf ein anderes, sei es ein eigenes oder ein fremdes übertragen haben. Gemäss dem Kantonsgericht Luzern handelt es sich bei der Ausnützungsziffer und der Überbauungsziffer um zwei gänzlich verschiedene Begriffe und Institute, weshalb eine Umrechnung der übertragenen Bruttogeschossfläche (BGF) beziehungsweise der anrechenbaren Geschossfläche (aGF) nötig ist. Diese Umrechnung erfolgt gemäss dem vorgenannten Leitentscheid mittels Division: Die übertragene Bruttogeschossfläche beziehungsweise die anrechenbare Geschossfläche dividiert durch die zulässige Anzahl Geschosse ergibt die entsprechende überbaubare Grundfläche, wobei das Kantonsgericht selbst einräumt, dass diese Umrechnungsmethode mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet ist.
Diese Rechtsprechung ist von Grundeigentümern, welchen Ausnützung übertragen wurde, mit Vorsicht zu geniessen. Seit dem 1. August 2016 gilt § 68 Abs. 2 PBV, wonach das Recht auf Realisierung übertragener Ausnützung im Sinne von § 14 der aufgehobenen Planungs- und Bauverordnung mit der gemeindeweisen Einführung der Überbauungsziffer gemäss IVHB verwirkt. Dies hat zur Folge, dass eine bereits übertragene, aber bis anhin unbenützte Ausnützungsreserve mit dem Inkrafttreten der neuen Bauvorschriften verfällt und nicht mehr durchgesetzt werden kann.
Im Rahmen dieses Blogeintrags kann offengelassen und immerhin als fraglich bezeichnet werden, ob der Regierungsrat das «Umrechnungsurteil» des Kantonsgerichts Luzern (vgl. oben) durch eine Anpassung der Planungs- und Bauverordnung ausser Kraft setzen und gravierend in den Bestand von Ausnützungsreserven eingreifen kann. Bei der Beurteilung, ob eine derartige Bestimmung mit der Bestandesgarantie gemäss § 178 PBG vereinbar ist und bei weiteren Fragen im Zusammenhang mit dem totalrevidierten PBG stehen Ihnen die Spezialisten der Hofstetter Advokatur & Notariat AG gerne zur Verfügung.